Über die Unfertigkeit von Apps. Ein Kommentar.

Geht es dir auch so, dass du mittlerweile viele Apps für deinen Mac/PC oder dein Smartphone - früher übrigens Programme genannt - „kaufst“ und die sind noch gar nicht richtig fertig? 

Stattdessen wird von den Entwicklern auf deren Homepage oder auf irgendeinem Social-Media-Channel in nicht enden wollender Regelmäßigkeit bekanntgegeben, dass dies und jenes Feature noch nachgereicht wird, dass man daran noch rumprogrammiert und dass man über alle Maßen total stolz darauf ist, dass man in wenigen Wochen noch die von so vielen Käufern erhoffte und sehnlichst erwartete Funktion doch tatsächlich auch noch nachreichen kann und wird. Toll! Krass! Megageil!

 

Mieten statt kaufen

Was ist das in den letzten Jahren für ein hervorragender gestiegener Service bei den Programmierern (oder auch Coder genannt)? 

Dieser gestiegene Service ist selbstverständlich mit einem gestiegenen Preis einhergegangen. Hier geht man seit einiger Zeit recht interessant und möglicherweise für alle Beteiligten - naja, eigentlich gibt es ja letztlich nur zwei Seiten - auch vorteilhaft vor:

Musste man noch vor wenigen Jahren ein Programm kaufen, muss man heute immer häufiger eine App mieten. Mit dem Kauf ging damals immer einher, dass das Programm mehr oder weniger regelmäßig aktualisiert wurde. Die Betonung liegt hier bei „mehr oder weniger“. Erfolgte eine Aktualisierung regelmäßig, so war meist bei einem großen Update des Programms abermals eine Geldsumme fällig, die meist (knapp) unter der ursprünglichen Kaufsumme lag und meist nur sehr ungern bezahlt oder einfach vergessen wurde - so ging es mir jedenfalls häufig. Kein Wunder also, dass viele Programme irgendwann gar nicht mehr aktualisiert und irgendwann ganz eingestellt worden sind. Man arbeitete dann mit der noch lauffähigen Software, zumindest solange sie noch lauffähig war.

Und jetzt? Jetzt gibt es neue Bezahlmodelle: Eine App kann man nun mieten, oftmals auf monatlicher oder jährlicher Basis. Die Vorteile liegen klar auf der Hand:

  • Die Coder haben regelmäßige Einkünfte.
  • Die Coder coden und verbessern ihre Apps weiter.
  • Die Coder coden vielleicht sogar neue Apps, die man immer schon (mal) gebrauchen konnte.
  • Die Mieter werden unregelmäßig mit Neuerungen überrascht.
  • Die Mieter werden unregelmäßig mit Neuerungen überrascht, die sie gar nicht erwartet haben.
  • Die Mieter freuen sich über die unregelmäßigen Überraschungen durch Neurungen, die sie gar nicht erwartet hatten und erwarten künftig immer wieder unregelmäßige Überraschungen, damit sie auch Mieter bleiben.

Die Liste könnte man tatsächlich jetzt - überflüssigerweise - weiterführen. Ich lasse es also. Wichtig dabei ist, dass die Eigendynamik des Marktes dazu geführt hat, dass die Apps einfach erst einmal unfertig angeboten werden. Die Coder haben dann sicherlich eine Liste der Feature in ihrer Schublade liegen, die in jedem Fall noch entwickelt werden müssen, um aus einer App eine sinnvolle und gute App zu machen. So sind für sie erst mal die kommenden Jahre gesichert. Aber ich werde zynisch. Obwohl ich diese Entwicklung eigentlich für gut halte. 

 

Was nicht gut ist, ist dieser Zwang, ständig neue Funktionen anbieten zu wollen und - auf Mieterseite - ständig etwas neues haben zu wollen. 

Wenn ich ein Haus miete, will ich doch auch nicht ständig neue Funktionen und immer wieder die Bauarbeiter im Haus haben. Hoffentlich läuft sich der Erneuerungswahn bei den Codern nicht heiß. Das Ende einer Erneuerung wird im Grunde ja schon durch das unfertige Vermieten von Apps vorweggenommen. So kann man länger etwas daran verdienen. Denn: Aus einer Textverarbeitung kann ich ja durch "metamorphosische" Programmierkünste kein perfektes Bildbearbeitungsprogramm machen. 

(Constanze Brinkmann)

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